Der Ursprung von Collect and Invest

Collect-and-Invest hat seinen Ursprung in einer Jahrzehnte alten Sammlerleidenschaft für Spielzeug. Begonnen hat alles mit Wiking Autos...

Der Tag, an dem alles begann, war ein schöner Tag. Es war Mittwoch, der 12.06.1974, das Wetter war frühsommerlich warm in Schleswig Holstein. Die Nachrichten waren natürlich bestimmt von den morgen beginnenden Fußball Weltmeisterschaften in Deutschland und den seit Tagen diskutierten Ergebnis des Streiks im öffentlichen Dienst, der zu einer Anhebung der Angestellten- und Beamtengehälter rückwirkend zum ersten Januar um 11% geführt hat.

Meine Mutter und meine knapp 2jährige Schwester brachten mich wie üblich nach Raisdorf, einem Nachbarort, der heute Schwentinental heißt, zum Schwimmunterricht für Einzuschulende (Ich war im letzten November sechs Jahre alt geworden und sollte dieses Jahr zur Schule). Das Schwimmen fand statt in einer kleinen Halle im örtlichen Schulzentrum. Der Unterricht war freiwillig und eher Spaß als Training. Während meine Mutter und Schwester die Zeit außerhalb verbrachten - richtigen Platz für Zuschauer gab es ohnehin nicht - vertrieb ich mir mit 12 Gleichaltrigen unter der Leitung einer DLRG-geschulten Schwimmlehrerin die Zeit mit Schwimmen, Spielen und Tauchen.

Dabei - genau erinnere ich es leider nicht - blieb ich bei einer Übung länger unterhalb der Wasseroberfläche im 1,5 Meter tiefen Wasser als die Schwimmlehrerein es als unbedenklich angesehen hat, so dass sie zu mir sprang und mich mit einem deutlichen Ruck vom Hallenboden ins Trockene beförderte. Irgendwie ist die Aktion nicht spurlos an mir vorüber gegangen: ich schluckte Wasser in mittleren Mengen und war insgesamt ziemlich konsterniert - heute würde ich sogar so weit gehen von einem Schock zu sprechen. Ergebnis des ganzen: Ich war kaum zu beruhigen und weinte nach meiner Mutter. Die kam recht bald, um mich abzuholen. Von der Schwimmlehrerin wurde sie kurz über das Malheur aufgeklärt ("ist ja nichts passiert...") und ich berichtete stotternd auch meine Version. Wir setzten uns dann in unseren dunkelgrünen Simca 1301 (das ist die viertürige klassische Mittelklasse-Limousine von Simca) und fuhren nach Preetz. Ich gab Ruhe, weil meine Mutter mir versprach, ich dürfe mir auf den Schrecken ein Spielzeug nach Wahl aussuchen. Außerdem war ich erschöpft.

Preetz, unser kleiner Heimatort am Rande der Holsteinischen Schweiz, verfügte zu der Zeit über verschiedene Möglichkeiten, Spielwaren zu kaufen: Zum einen gab es am Garnkorb an einer wichtigen Straßenkreuzung mit der B76, die Kiel und Lübeck verbindet, das im Jahre 1969 eröffnete mehrstöckige Kaufhaus Markmann mit einer großen Spielwarenabteilung. Daneben bestanden Fachgeschäfte in der Schellhorner Strasse (Hannss) und in der Kirchenstrasse (Altenburg) und es gab natürlich auch das Angebot des Filialisten Kloppenburg mit einem kleineren Spielwarensortiment in der Langen Brückstrasse.

Die Auswahl war also recht groß. Meine Mutter entschied sich für das Geschäft, das am nächsten zu unserem Wohnhaus gelegen war: Spielwaren Altenburg in der Kirchenstrasse. Ein Laden, der in fast allen Belangen dem perfekten Gegenentwurf zu Spielwaren Megastores der heutigen Zeit á la Toys R Us entspricht: Ein kleines, alteingesessenes inhaber-geführtes Unternehmen mit einem winzigen Ladenlokal in der Hauptstrasse einer Kleinstadt. Zur Strasse hin war das 1,5x 2,5m große Schaufenster prall gefüllt mit Spielwaren aller Art - in einem herrlich Phantasie anregenden Durcheinander. Links neben dem Schaufenster war an der Wand ca. 50cm über dem Boden ein etwa 1,2m hoher, 80cm breiter Kasten angebracht, der von außen verschlossen war. Durch die Glasscheibe konnten Kunden und Interessierte weitere - kleinere - Verkaufsartikel bewundern. Dieser Kasten sollte in meinem jungen Leben noch eine ganz besondere Bedeutung bekommen.

Links neben dem Kasten befand sich der eingerückte Eingangsbereich, von dem es nach rechts in den kleinen schlauchförmigen Laden von Spielwaren Altenburg ging. Das Geschäft selbst war ähnlich strukturiert wie die Schaufensterauslage. Aber ich war mir sicher, dass der Inhaber, Herr Altenburg, ein bereits älterer Herr, alles im Griff hatte. Bezeichnend für das Geschäft war ein Tresen, der Kunden und Verkäuferbereich fast vollständig voneinander trennte. Er war aus dunklem Holz, oben befand sich eine fast schwarzgrüne lederähnliche Auflage. Hinter dem Tresen fand der Verkäufer gerade Platz und dann kamen bereits die Regale mit den unterschiedlichsten Waren. Insgesamt war das Geschäft knapp 6 Meter tief, dann folgte ein Durchgang zu Lagerräumen. Hier hatten Kunden aber keinen Zugang. Noch heute erwische ich mich bei Träumen davon, was sich wohl in diesen Lagerräumen für alte und unverkäufliche Artikel gestapelt haben... Viele Kunden gleichzeitig bei Firma Altenburg bedeutete immer ein gehöriges Maß an Stress. Einerseits auf Seite der Verkäufer (Herr Altenburg wurde unterstützt von seiner Tochter Frau Altenburg und einer weiteren Dame, von der ich vermute, dass sie ebenfalls dem Verwandtenkreis zugehörig war), da es unübersichtlich wurde und die Diebstahlgefahr stieg. Aus Platzgründen mussten nämlich auch Artikel auf und neben dem Tresen gelagert werden. Aber auch auf Käuferseite entstand so Stress, da der Blick auf die Waren verstellt wurde und es Situationen gab, an denen man gar nicht schnell genug bedient werden konnte.

Zurück zum 12.06.1974: Ich betrat den kleinen Laden, der mir - und Generationen von Preetzer Spielzeugliebhabern unvergessen bleiben wird - bewegt durch das Versprechen "Du darfst Dir aussuchen, was Du möchtest". Mit klopfendem Herzen sah ich mich um. Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, da fielen mir mitten auf dem Tresen (vorne rechts, dicht beim Eingang) mehrere kleine Automodelle auf. Es muss Leidenschaft auf den ersten Blick gewesen sein. Keiner konnte mich davon abbringen, mir anstelle der großen bunten Plastikautos im Maßstab ca. 1:20, die schräg links hinten standen (und offenbar der Favorit meiner beiden weiblichen Begleiterinnen) für das großzügige Angebot meiner Mutter 2 Wiking H0 Modelle auszusuchen: einen Mercedes 450 SE in rot und einen Mercedes 200 Binz Krankenwagen. Zusammen bezahlte meine Mutter 3,20 DM ("das hätte ja wirklich schlimmer kommen können") und wir gingen hoch zufrieden nach Hause.

Erst viel später wurde mir klar, welch ein Zufall zu meiner Begegnung mit Wiking geführt hatte: Gerade in dieser Woche sind die Neuheiten 1974 ausgeliefert worden. Diese wurden bei Altenburg immer in dem Vitrinenkasten neben dem Schaufenster ausgestellt, zusammen mit einem kleinen rot-weißen Schild "Wiking Modelle". Kenner der Materie wussten dann sofort: bei Wiking gibt es etwas Neues. In den darauf folgenden Tagen gab es immer einen Ansturm auf die Neuerungen, die gerade auch in 1974 sehr bemerkenswert ausgefallen sind. Herr Altenburg hat die Highlights deswegen zur Ansicht erst einmal auf dem Tresen positioniert, damit der Kundendrang schnell befriedigt werden konnte. Nach Rückkehr der Routine verschwanden diese Modelle in kleinen, unscheinbaren weißen (teils auch grauen) Kistchen, die säuberlich nach Nummern sortiert, auf den Regalen standen. Nur die LKW waren teilweise etwas bunter verpackt. Es sollte aber noch einige Zeit dauern, bis ich den ersten richtig großen LKW in meinen jetzt schnell wachsenden Fuhrpark einreihen konnte.